Das Internet für Juristen
Kommunikation, Firmennetz
Rechtsanwalt Timm Hitzfeld, Augsburg
Eben hat sich das Fax durchgesetzt, da wartet schon ein neues Medium
darauf, entdeckt und angewendet zu werden:
E-Mail. E-Mail sei die elektronische Variante der Briefpost, kann man hören.
Tatsächlich erhält man damit die Möglichkeit, Texte von
Computer zu Computer zu verschicken. Andererseits ist der Begriff zu weit,
denn auch per Fax werden elektronisch Texte verschickt. Was also bringt
uns E-Mail?
Wer schon einmal versucht hat, ein erhaltenes Fax auf besondere Art zu
archivieren, z.B. in ein Datenbankprogramm einzulesen, der weiß,
daß man dazu die gesamte Faxseite erst scannen[1]
muß. Das ist aufwendig und verschlingt unnötig Platz im Computer/PC.
Und sogar dann wird der enthaltene Text erst wieder zugänglich, wenn
man ihn zusätzlich per Texterkennungs-Software nachbearbeitet[2].
E-Mail hingegen wird vom PC direkt als Text empfangen. Anders als beim
Fax wird der Text nicht erst photographiert. Der Text steht zu Datenverarbeitungszwecken
unmittelbar zur Verfügung. Auch gewinnt der Versendevorgang dadurch
entschieden an Zeit. Beim Versende- und Empfangsvorgang (das sind die Kosten
produzierenden Momente) ist E-Mail dem Fax in der Regel überlegen,
da es schneller ist. Ein weiterer Vorteil ist, daß sich mit einer
E-Mail mehrere Empfänger gleichzeitig erreichen lassen.
Per E-Mail lassen sich im Prinzip zwar nur einfache, unformatierte Botschaften
verschicken; das wird aber durch die Möglichkeit ausgeglichen, an
diesen Text sogenannte Attachments anzufügen. Beliebige Dateien können
derart angehängt werden, also z.B. auch WinWord- Excel- oder Access-Dokumente.
Damit eröffnet sich ein weites Anwendungsfeld. Die überörtliche
Kanzlei kann auf diese Weise schnell, porto- und papiersparend Aktenstücke
austauschen. Der Steuerberater erhält die Buchungen, der Korrespondenzanwalt
die farbige Unfallskizze oder die gesprochene Zeugenaussage. Darüber
hinaus verlagert sich ein Teil des Papierverbrauchs auf den Empfänger.
Dieser wird sich, je nach Bedarf, die entsprechende Anzahl von Kopien ausdrucken.
Für die angesprochenen Nutzungsmöglichkeiten benötigt man
einen Computer mit Internet-Anschluß[3]
inklusive Drucker und E-Mail-Software. Für den Einstieg empfehlenswert
ist die Nutzung der Software "Netscape" oder "Internet-Explorer"
von Microsoft. Man erhält hiermit zusätzlich ein gutes E-Mail-Programm.
Der erforderliche Installationsaufwand kann vom Laien bewältigt werden.
Es ist übrigens nicht nötig (anders als beim Fax), daß
die E-Mail-Station durchgehend angeschaltet ist. Die Zwischenlagerung übernimmt
dann automatisch der Internet-Zugangsdienst (Provider). Ebenso kann man
selbstverständlich parallel mit dem jeweiligen PC alle üblicherweise
in einer Kanzlei anfallenden Arbeiten erledigen, benötigt also kein
getrenntes Gerät. Die Provider-Gebühren werden im Rahmen des
Zugangsvertrages abgerechnet. E-Mail kostet normalerweise nichts extra.
Auch bei Volumen- oder Zeitabrechnung fallen die verursachten Anteile regelmäßig
wenig ins Gewicht[4].
Nachteil dieser Kommunikationsform sei der ungeschützte, offene Datentransfer
über das Internet, kann man ebenfalls hören.
Das ist sicher richtig. Andererseits, wo gibt es den verschlüsselten
Datentransfer? Weder Fax, Telefon noch Briefpost bieten derartiges. Schutz
bietet hier außer der Umschlagsfunktion des Mediums nur die garantieähnliche
Gewähr des ehemals staatlichen Transporteurs, wonach alles seine Ordnung
habe. Zum einen wird hier jedoch weitgehend privatisiert, zum anderen werden
private Mediendienste und Datentransportdienste zunehmend einer besonderen
gesetzlichen Kontrolle unterworfen, so daß die Übertragung in
naher Zukunft eine gute durchschnittliche Sicherheit bieten dürfte.
Wer auf besondere Vertraulichkeit angewiesen ist, hat jedoch die Möglichkeit,
die E-Mail-Nachricht zu verschlüsseln. Marktführend ist die Software
"PGP". Ausgehend von einer internationalen Version dieser Software
ist die Benutzung auch außerhalb der USA erlaubt[5].
Durch den Internet-Zugang eröffnet sich eine weitere Kommunikationsvariante:
die Newsgruppen oder -foren[6].
Es handelt sich um elektronische "Schwarze Bretter", die zur
öffentlichen, themenorientierten Nutzung freigeben sind. Meiner Erfahrung
nach wird dieses Medium vom Anwalt praktisch nicht nachgefragt. Einsatzmöglichkeiten
bieten sich jedoch, wenn man diese Foren als "online-Zeitung"
benutzt. Im Rahmen des standesrechtlich Erlaubten könnte man hier
auf seine Interessengebiete aufmerksam machen, Anfragen an die juristische
Allgemeinheit stellen oder z.B. auf die Suche nach Zeugenaussagen gehen.
Für den Einsatzbereich des Anwalts besonders geeignet ist meines Erachtens
ein ähnliches Medium, der sogenannte "Internet-Relay-Chat"
(IRC). Mit Hilfe dieser Software kann man sich elektronisch "auf"
einem Rechner des Internet treffen und eine Konferenz abhalten. Das läßt
sich so einrichten, daß die Konferenz völlig privat oder sogar
nach außen unsichtbar und sicher abläuft. Die Konferenz wird
abgehalten, indem jeder Teilnehmer über die Tastatur mit den anderen
auf einem besonderen Bildschirmausschnitt kommuniziert. Eine Zeitverzögerung
durch die Zustellaktion der Software findet nicht statt (Direktkommunikation).
Im Regelfall benötigt man dazu die Hilfe einer schnellen Schreibkraft,
der man den Text diktiert. Varianten und Fortentwicklungen dieser Software
beinhalten Funktionen der direkten Sprach- oder Bildübertragung. Solche
Videokonferenzsoftware[7]
enthält meist auch die Möglichkeit, auf dem gemeinsamen Bildschirmausschnitt
zu zeichnen (Whiteboard) oder Dateien gemeinsam zu nutzen. Die Videokonferenz
über das Internets steckt noch in den Kinderschuhen, bzw. wird durch
zu geringe Leitungsquerschnitte gebremst. Einsatzfähig ist die direkte
Videokonferenz über ISDN, schnelles Modem oder innerhalb eines Firmennetzes.
Wem die eingangs beschriebenen Möglichkeiten nicht genügen,
per E-Mail Dateien zu versenden und zu empfangen, dem bietet das Internet
eine Erweiterung, den direkten Dateitransfer per FTP. FTP ist lediglich
der Name für die Dateiübertragung im Internet bzw. für die
entsprechende Software. Damit lassen sich von zu Hause aus, abends oder
am Wochenende, schnell ein paar Aktenstücke aus der Kanzleidatenbank
holen oder in sie übertragen. Zugangsrechte sind persönlich einstellbar.
Der jeweilige Computer in der Kanzlei muß dazu angeschaltet sein[8].
Der Provider sollte informiert werden, da er solche Zugriffe sonst eventuell
unterbindet. Der Einsatz von FTP im Kanzleibetrieb wäre auch für
die Korrespondenz mit Mandanten oder Dienstleistern vorstellbar. Auf der
Basis entsprechender Zugriffs- und Leserechte ließe sich die Korrespondenz
transparenter und flexibler gestalten. Voraussetzung wäre natürlich
eine aktuell gehaltene Dokumentendatenbank.
Im vorherigen Absatz kam eine Tatsache zum Ausdruck, die auf Anhieb nicht
leicht einzuordnen ist. Man holt sich den Internet-Zugang zwar ins Haus
und eventuell auch an mehrere PC's. Das Internet bleibt aber eine Sache,
die sich vorstellungsmäßig außerhalb der eigenen Räumlichkeiten
abspielt. Diese Vorstellung ist unvollständig. "Internet"
ist eine grundlegende Kommunikationsmöglichkeit (ein Verständigungsprotokoll[9])
für nahezu jeden Computer. Mit Software dieser Art läßt
sich auch das lokale Kanzleinetz aufrüsten. Damit stehen dann intern
alle Softwaredienste zur Verfügung, die sonst "im Internet"
für die globale Datenübertragung vorgesehen sind[10].
"Internet" eignet sich besonders gut zur Vernetzung verschiedener
Betriebssysteme. So lassen sich etwa "Mittlere Datentechnik"
und vorhandene PC's unter eine gemeinsame Nutzer-Oberfläche bringen.
Bestehende Netzstrukuren, etwa ein Novell-Netz, lassen sich parallel betreiben.
Der PC-Anwender bekommt mit Windows 3.11 oder Windows 95 eine geeignete
Internet-Vernetzungsstruktur schon in die Hand. Solche Aufrüstungsmaßnahmen
sind in aller Regel vom Fachmann vorzunehmen.
Vom ambitionierten Laien durchführbar ist hingegen die Beschaffung
eines Internet-Anschlusses für die gesamte Kanzlei. Ausgehend vom
Vertrag mit dem Provider bedarf es hierzu lediglich eines beliebigen, modernen
Computers mit Modem oder ISDN-Karte. Man installiert die Software des Providers
und erhält damit einen Internet-Einzelplatz, etwa für die eigene
Bibliothek. Falls die Kanzlei vernetzt ist (Computernetz), läßt
sich mit z.B. Windows 3.11 oder Windows 95 dieser PC auch von einem anderen,
eigenen Computer aus als Internet-Zugang ansprechen[11].
Auch der (geschützte) Zugriff von außerhalb auf Computer der
Kanzlei wird damit grundsätzlich möglich.
Selbstverständlich läßt sich dieser Zugang weiter ausbauen
z.B. dahingehend, daß mehrere Kanzleikräfte gleichzeitig Internet-Zugriff
haben[12]. Diese Lösung
muß nicht im eventuell vorhandenen Novell-Server eingebaut werden.
Es genügt ein anderer, leistungsstarker, vernetzter PC. Weitere Nutzungsverträge
mit dem Provider müssen meist nicht abgeschlossen werden[13].
Benötigt werden allerdings zusätzliche Internet-Adressnummern
für alle anzuschließenden PC's.
Als existierender Beinahe-Standard zur Vereinheitlichung verschiedenartiger
Nutzeroberflächen, Betriebssysteme und Datenverbindungen wird das
Internet sicherlich auch in der Kanzlei Einzug halten. Neben den geschilderten
Einsatzmöglichkeiten rückt nun auch die einfach und kurzweilig
abfragbare Kanzleidatenbank in greifbare Nähe: Sie präsentiert
sich im Gewand des World-Wide-Web und kann "abgesurft" werden.
Auf dieser Basis kann mit geeigneter Software ebenso ein regelrechtes Informationssystem
betrieben werden, in dem alles Platz findet, auch Faxe oder juris-Recherchen[14].
Der Beitrag wird fortgesetzt.
[1] Das Dokument wird
dabei als Bild in den Computer "hineinkopiert". Dazu wird ein
zusätzliches Gerät benötigt. Beim Einsatz eines Faxmodems
statt eines eigenständigen Faxgerätes entfällt dieser Arbeitsschritt.
Jedoch muß dann grundsätzlich ein betriebsbereiter PC an das
Modem angeschlossen sein.
[2] Die Qualität
der Texterkennung hängt davon ab, ob die entsprechende Software regelmäßig
benutzt (trainiert) wird.
[3] Beschrieben wird Internet-E-Mail,
ein sich gerade etablierender Standard. Zum Internet-Anschluß vergleiche
den vorherigen Beitrag in AnwBl. 10/96. Der Anschluß benötigt
ein zusätzliches Internet-Terminalprogramm (enthalten in den Komplettpaketen
der Major-Players oder z.B. im Shareware-Paket Trumpet Winsock).
[4] Bei Volumenabrechnung
kann der Versand von Textdateien mit vielen enthaltenen Grafiken (z.B.
WinWord ist hier sehr "gefräßig") oder von unkomprimierten
Sounddateien einiges kosten. Auch haben manche Zugangsdienste Probleme
mit Dokumenten von über 2 MB Datenvolumen.
[5] Gemeint ist die Version
2.6.3.i. Erhältlich per FTP aus jedem größeren öffentlichen
Dateiarchiv, z.B.: ftp://ftp.cert.dfn.de/pub/tools/crypt/pgp/
Bei der Benutzung für kommerzielle Zwecke benötigt man eine Lizenz
des IDEA-Algorithmus. Kontakt: Ascom Systec AG, IDEA Licensing, Gewerbepark,
CH-5506 Maegenwil, Tel./Fax: 0041/62/889 59 54.
[6] Siehe dazu auch: Erstbeitrag
dieser Folge: Hage, AnwBl 7/96, 376.
[7] Aufsehenerregend,
wenngleich nicht ganz den aktuellen Standards folgend, ist das Paket der
Firma Connectix (Farbkamera und Software zur Konferenz über Internet,
ISDN, Modemdirektverbindung oder LAN). Gut ist der Einsatz eines Rechners
mit mindestens Pentium 100 MHz-Prozessor. Auskunft gibt der Fachhandel.
[8] Bzw. einen konfigurierten
Einschaltmechanismus haben. Eine Erweiterung des FTP-Programmes, ein FTP-Serverprogramm
muß ebenfalls installiert sein (in Komplettpaketen wie z.B. Chameleon,
Fa. Netmanage Neufahrn, schon enthalten).
[9] IP, TCP/IP, genormt
nach MIL-STD 1777 bzw. RFC 791/793.
[10] Also: Nachricht per
E-Mail oder Datenübertragung per FTP vom Sekretariat ins Anwaltszimmer,
interne Videokonferenz, interner Web-Server, etc.
[11] Über die
"Peer to Peer"-Funktion, siehe im jeweiligen Handbuch.
[12] Auf dem Zugangsrechner
muß dann eine multiplex-fähige Erweiterungsoftware laufen. Z.B.
Banzai! oder ISPA, auch das Chameleon-Paket scheint geeignet zu sein. Oder
eben Windows NT, Unix.
[13] Er rechnet den
Firmenanschluß pauschal ab oder ohnehin kontingentorientiert.
[14] Zu nennen etwa
InterNotes von Lotus GmbH, 81379 München, Topic Agent Server von Verity
GmbH, 63762 Großostheim.